Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) gerät im Zusammenhang mit dem beispiellosen Skandal um Wirecard immer mehr unter Druck. EY winkte die gefälschten Bilanzen von Wirecard jahrelang durch und fiel dabei, wie Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) zeigen, offenbar auf einfachste Fälschungen herein. Schadensersatzprozesse laufen.
Salden-Bestätigungen sollen gefälscht sein
Der BR stellte in seinem Bericht fest, dass die Wirtschaftsprüfer von EY offenbar auf gefälschte Salden-Bestätigungen hereinfielen. So erhielt EY 2016 und 2017 Saldenbestätigungen, die offenbar von dem Treuhänder „Citadelle Corporate Services“ mit einer Unterschrift und einem Stempel unterschrieben waren. Laut BR verrate ein Blick in die Dokumenteneigenschaft jedoch, dass im Februar 2017 Unterschrift und Stempel eines im Unternehmen tätigen Wirecard-Managers lediglich als Grafik eingefügt worden waren. Gegen den Wirecard-Manager laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. EY beruft sich indes darauf, die Salden-Bestätigungen hätte auch in Papierform vorgelegen.
Hinzu kommt, dass EY im März 2019 das Drittpartnergeschäft von Wirecard mit Testkäufen überprüfen wollte. Die Shops wurden laut BR dabei allerdings nicht von EY ausgesucht, sondern Wirecard schickte Links von den Shops an EY.
Sonderermittler-Prüfungsbericht nach wie vor geheim
Kritisiert wird dieses Vorgehen auch von dem vom Wirecard-Untersuchungsausschuss eingesetzten Sonderermittler für das Verhalten von EY, Martin Wambach. Die Testkäufe bezeichnet er als „nicht ausreichend und angemessen“. Der Untersuchungsausschuss versucht immer noch eine uneingeschränkte Veröffentlichung zu erzielen. Nach Aussage des Untersuchungsausschuss-Mitglied Florian Toncar sei dieser Bericht für EY vernichtend.
Keine Verunsicherung durch Ablehnung des KapMuG – Verfahrens
Das Landgericht München I entschied im Juni 2021, dass ein Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMug) gegen EY nicht zulässig sei. Dies hat zu großer Verunsicherungen unter den Geschädigten geführt. Hierzu besteht jedoch kein Grund. Anleger haben nach wie vor die Möglichkeit, individuell und unabhängig von anderen gegen EY vorzugehen.
BGH: Haftung eines Wirtschaftsprüfers gegenüber den Aktionären
Anlass zur Hoffnung gibt die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einem Parallelfall. Der Bundesgerichtshof bestätigte am 12. März 2020 (Aktenzeichen VII ZR 236/19), dass ein Wirtschaftsprüfer unter anderem auf Schadensersatz haftet, wenn der erteilte Bestätigungsvermerk unrichtig ist und er seine Aufgabe so nachlässig erledigte und dabei eine Rücksichtslosigkeit zeigte, die aufgrund der Wichtigkeit des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenslos erschien. Der Wirtschaftsprüfer muss dem Anleger 69.975,32 Euro nebst Zinsen zahlen. Mit diesem Urteil wich der BGH von dem Grundsatz ab, dass Wirtschaftsprüfer für Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Prüfung von Jahresabschlüssen nur gegenüber der Aktiengesellschaft und nicht gegenüber den Aktionären haften. Das Urteil könnte daher für Wirecard-Anleger bedeutsam sein.
Haftung der Anlageberater
Neben der Haftung des Wirtschaftsprüfers besteht die Möglichkeit, den Anlageberater in Anspruch zu nehmen. Diesem obliegen im Rahmen der Anlageberatung eine Fülle an Pflichten, die auch im Zusammenhang mit Wirecard-Anlagen zu berücksichtigen waren. Da jede Beratung anders abläuft, muss auch jeder Fall einzeln bewertet werden.
JACKWERTH Rechtsanwälte prüfen Ihre Ansprüche
Die uneingeschränkte Zustimmung zu den Abschlussberichten von EY dürfte für viele Anleger entscheidungserheblich gewesen sein, so dass grundsätzlich gute Chancen auf eine erfolgreiche Inanspruchnahme bestehen. Unbedingt zu beachten ist aber die Verjährung.